26 Empfehlenswert Eine Taxonomie pro Fintech contra Mittelstand Text Dr. Rainer Ammon, Calandi Die Zeiten ändern sich. Waren Fintechs zu New- Economy-Zeiten nicht Unternehmen, die an- getreten waren, mittels effizienter Technologien etablierte Großbanken das Fürchten zu lehren? Neben Paytech-Unter- nehmen wie Paypal, Antgroup-Alipay und Klarna ist in den vergan- genen Jahren eine Reihe von Wealthtech- Unter neh- men (Scalable Capital und andere) entstanden, die basierend auf KI- Tech nik Anlage ent schei- dungen treffen und auf diese Weise kostengüns- tig anbieten, was früher im Private Banking hohe Gebühren verschlang. In jüngster Zeit machen allerdings FinTechs von sich reden, die unter dem Stichwort „RegTech“ als techni- sche Antwort auf regulatorische Vorgaben im Zuge des Green Deals Banken, Fondsgesellschaften und Unternehmen darin unterstützen, die mit der EU-Taxonomie einherge- henden Datenmengen zu bewältigen, darunter Greenomy oder die norwegi- sche Celsia, um nur zwei Unter neh- mensbeispiele zu nennen. Mit Hilfe von RegTech-Lösungen wer- den Daten regelmäßig erhoben, verifi ziert und verarbeitet. In Abhängigkeit 3 // 2022 von Branche, Zulieferern und anderen Faktoren werden dynamische Ent schei- dungsbäume erzeugt, die ein ein fa- ches Navigieren durch regulatorische Vorgaben ermöglichen. Non-Financial Reporting Directive (NFRD) heißt das Zauberwort, das dazu führt, dass Pflichtangaben zu Umweltzielen in den Geschäftsbericht großer Unter neh men einfließen. Die mit den Vorgaben „ein- hergehenden Regulie rungs pakete und neuen Anforde run gen an Unter- nehmen sind einzigartig“, frohlocken Partner der Beratungsfirma Oliver Wyman in einem Gastbeitrag für die Börsen-Zeitung vom 10. August 2022. An der Schnittstelle zwischen Nach- haltigkeit und Regulierung sei ein „wahrer Start-up-Boom“ entstanden, so die Berater. Dass diese Entwicklung im Bereich Financial Services für reich- lich Arbeit sorgen dürfte, scheint un- mittelbar einleuchtend. Prüfungsnahe Beratungsprojekte zur Berechnung von ESG-Kennzahlen, IT- und Daten- projekte, Projekte zur korrekten Offen- legung und Berichterstattung. Ob die Projektflut geeignet ist, den Wohl stand und Schutz der Umwelt zu för- dern, steht auf einem anderen Blatt. Wie hilft die Taxonomie über den Zertifikate-Handel hinaus? Bekanntlich gibt es bereits einen CO2- ZertifikateHandel in der EU. Die Ton ne CO2 kostet dort aktuell 87 EUR, 2018 lag der Preis noch bei unter 10 EUR. Bei der Freisetzung einer Tonne CO2 durch ein Automobil wiederum wer- den derzeit an der Zapfsäule bereits zwischen 700 und 800 EUR in Rech- nung gestellt. Warum sollte eine Taxonomie, die lediglich verbindliche Definitionen, was als nachhaltiges Wirt schaften gilt, festlegt und die Unter nehmen verpflichtet offenzule- gen, inwieweit ihr Handeln an den Kri- terien der Taxonomie ausgerichtet ist, darüber hinaus irgendetwas bewirken? Selbst wenn regulierte Fonds und Banken aufgrund der Taxonomie in „konforme“ Unternehmen investieren, akquirieren andere Investorengruppen (wie z.B. Beteiligungsgesellschaften und mittelständische Unternehmen) die „verschmähten“ Unternehmen und wetten darauf, sich auf diese Weise höhere Renditen zu sichern. Der Markt für lukrative Investitionen gleicht die Pegelstände aus, er lässt sich nicht selek tiv und lokal trockenlegen. In Bereichen, in denen es keine wett- bewerbsfähigen ökologischen Pro dukt- alternativen gibt, treten notwendiger- weise Unternehmen auf den Plan, die sich entsprechend mit Kapital versor- gen, um diese nicht leicht substituier- baren Produkte herzustellen. An dern- falls wäre Saudi Aramco an der Börse nicht kürzlich zum zweitwertvollsten Unternehmen der Welt avanciert. Es drängt sich der Verdacht auf, dass Subventionen in Form von günstigen Krediten das Taxonomie-Regelwerk populär machen bzw. für dessen „Erfolg“ sorgen werden, ähnlich wie beim 9-Euro-Ticket die schiere Nach- frage nach einem stark subventio- nierten Produkt bereits politisch als Erfolg umgedeutet wurde. Tempo durch technischen Fortschritt Notwendige Industrien, deren Ge- schäfts modell auf absehbare Zeit nicht klimaneutral sein wird, dürfen aber bei solchen Überlegungen nicht ausgeblendet werden als gäbe es sie nicht. Die Extraktion und Verarbeitung von Rohstoffen oder Straßen- und Berg bau sowie die Stahlindustrie sind